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Unsere Chronik

Wie alles begann

Das Jubiläum eines Vereins lässt es geboten erscheinen, seinen Werdegang und seine Entwicklung darzustellen, weil sich hier einerseits ein Stück Zeit- und Lokalgeschichte wiederspiegelt und andererseits für die nachfolgenden Generationen wichtige Etappen im Leben des Vereins lebendig bleiben.

Der Reiterverein „Nethegau“ feierte im Jahr 2009 sein 85-jähriges Bestehen.

Als im Jahre 1924 wenige Männer des Nethegaues aus innerlicher, reiterlicher Begeisterung den Reiterverein „Nethegau“ gründen, sind sie sich wohl bewusst, welch hohe Aufgabe sie für den Pferdesport und die -zucht übernehmen. Erstmalig am 23.7.1924 treffen sich eine Handvoll Brakeler Pferdefreunde im Hotel ‚Preußischer Hof‘ und beschließen, für den 29.7.1924 eine Gründungsversammlung einzuberufen. Am 27.7.1924 erscheint im ‚Brakeler Anzeiger‘ eine Anzeige, die alle ehemaligen Kavalleristen, Landwirtssöhne und andere Interessenten zur Gründungsversammlung eines Reitervereins, die den Pferde- und Rennsport pflegen wollen, zu Dienstag, dem 29.7.1924 abends 8 1/2 Uhr, in den ‚Preußischen Hof‘ einlädt.
Zu dieser Gründungsversammlung erscheinen 75 Personen. Die Initiatoren Adolph Freiherr von Spiegel, Rheder, und Gutsbesitzer August Rustemeyer aus Erkeln, nehmen dieses rege Interesse mit Freuden zur Kenntnis. Nachdem den Anwesenden die Ziele und Aufgaben, die sich dieser Reiterverein stellt, bekannt gegeben sind, treten von den 75 Erschienenen 60 in den Reiterverein ein.

Zum

  • 1. Vorsitzenden wird Adolph Freiherr von Spiegel einstimmig gewählt.
  • Vertreter des 1. Vorsitzenden wird August Rustemeyer,
  • 1. Schriftführer Theodor Massolle,
  • 2. Schriftführer Christian Bolze,
  • 1. Kassierer Oskar Vogel und
  • 2. Kassierer Dr. Harry Nutt

Die Mitglieder beschließen, den Verein Reiterverein „Nethegau“ zu nennen, da sein Haupteinzugsgebiet das Nethegau sein soll. Die von den Initiatoren vorbereitete Satzung wird angenommen und bereits einen Monat später allen Mitgliedern gedruckt ausgehändigt. Am 29.9.1924 präsentiert sich der neue Reiterverein erstmalig der Bevölkerung im Nethegau. Ein Ausritt, beginnend am Sudheimerhof, über Erkeln, die Antoinettenburg, Rheder und Riesel, endet in Brakel. Das ‚Brakeler Tagesblatt‘ berichtet in seiner Ausgabe vom 30.9.1924 darüber.

„Die stattliche Kavalkade erregte überall freudige Gesichter, und besonders bei der Auflösung auf dem Marktplatz hatte sich gegen Abend eine große Schar Neugieriger eingefunden, die die Reiter mit Beifall empfingen. Wir wünschen dem Verein, der jetzt bereits 90 Mitglieder zählt, weiteres Blühen und Gedeihen.“

Um den Reitbetrieb in Schwung zu bringen, wird ein Reitplatz benötigt. Das Vereinsmitglied Franz Rohde, Burgstraße, Brakel, stellt dem Reiterverein auf dem ehemaligen Gelände der Dampfziegelei im Bohenkamp einen Platz als Reitplatz zur Verfügung. Bereits im Oktober ist der Reitplatz in Eigenleistung hergerichtet. Von der Reichswehr werden 8 Reitpferde geliehen, so dass nun insgesamt mit eigenen Pferden 12 Reitpferde zur Verfügung stehen. Der 1. Kassierer, Oskar Vogel, ein ehemaliger Kavallerist der ‚alten Schule‘, der heute noch vielen Mitgliedern bekannt ist, übernimmt die Ausbildung der Reiter.
Zum 10.1.1925 wird zur ersten Generalversammlung im ‚Preußischen Hof‘ eingeladen. Drei Tage vorher erscheint, wie die Satzung es in § 11 bestimmt, eine entsprechende Einladung im ‚Brakeler Anzeiger‘.
Die Mitglieder sind fast vollständig erschienen. Die Generalversammlung bestätigt den in der Gründungsversammlung gewählten Vorstand für drei Jahre. Zu dieser Generalversammlung waren die Herren Geheimrat Körfer und Oberstabsveterinär Dr. Heuss aus Paderborn erschienen. Dr. Heuss hält einen Vortrag über Pferdefütterung und Pferdepflege. Geheimrat Körfer und Dr. Heuss werden von der Versammlung zu Ehrenmitgliedern ernannt. Oberstabsveterinär Dr. Heuss stiftet 1925 für den Reiterverein „Nethegau“ eine Standarte, die nach 57 Jahren, nämlich 1982, ins Archiv kommt und durch eine neue ersetzt wird.
Im Februar 1925 kann der Reitplatz im Bohenkamp nicht mehr genutzt werden, und so stellt die Stadt ein Gelände an der Nieheimer Straße zur Pachtung bereit. Wieder wird dieser Platz in Eigenleistung hergerichtet und schon bald läuft der Reitunterricht wieder auf vollen Touren. Viele Geländeritte werden unternommen. Erstmalig 1926 starten Reiter des Reitervereins „Nethegau“ auf auswärtigen Turnieren; im Februar in Paderborn, im Juni in Höxter und im August in Alhausen.
In Höxter und Alhausen werden viele Platzierungen errungen. Im Februar 1927 findet in der Brakeler Stadthalle der erste Reiterball statt. Auch eine Verlosung wird durchgeführt. Als Hauptpreis ist ein Schwein zu gewinnen, das der 1. Vorsitzende, Freiherr von Spiegel, gestiftet hat. Das erste Reitturnier veranstaltet der Reiterverein „Nethegau“ am 17. Juli 1927 auf dem Westerlindenfeld zu Brakel. 70 Pferde starten in 140 Nennungen. Für die Stadt Brakel ist dieses Turnier ein Ereignis. Diese Veranstaltung wird von der Brakeler Bevölkerung begeistert aufgenommen; in der Vereinschronik heißt es: „Diese Veranstaltung war reitersportlich und finanziell ein großer Erfolg.“
In der diesjährigen Generalversammlung wird Freiherr Adolph von Spiegel als 1. Vorsitzender wiedergewählt. Er hat dieses Amt bis 1947 mit Erfolg bekleidet, legt es dann aber aus gesundheitlichen Gründen nieder. In den Jahren von 1928 bis zum Kriegsausbruch wächst die Mitgliederzahl des Reitervereins ständig. Viele heimische Veranstaltungen und Turniere werden durchgeführt, u.a. ein Geländeritt mit anschließendem Biwak in Erkeln unter dem Teufelsberg. 1931 bei einem Stafettenritt des Provinzialverbandes reitet der Reiterverein „Nethegau“ mit 15 Pferden die Stecke Altenbeken – Brakel, um die Stafette dann den Reitern des Reitervereins „Corveyer Land“, Höxter, zu übergeben. 1933 kauft der Reiterverein eine Halle auf dem Gelände der alten Zuckerfabrik. Halle und Platz werden in Eigenleistung für Reitzwecke hergerichtet und ausgebaut. Hierzu muss ein Darlehn von 500,- RM aufgenommen werden und führt ab nun die Bezeichnung „Reiterverein ‚Nethegau‘ e.V.“. Die Vereinsregistereintragung kann aber nur erfolgen, wenn eine Satzungsänderung vorgenommen wird. Im Dritten Reich verlangt man, dass nur Vereine in das Vereinsregister eingetragen werden dürfen, deren Mitglieder arischer Abstammung sind. So erhält der § der Satzung, der die Mitgliedschaft regelt, den Zusatz: „Voraussetzung für den Erwerb jeglicher Mitgliedschaft ist auch die arische Abstammung.“
Auch ein Beweis dafür, dass der Nationalsozialismus bis hinein in die kleinsten ländlichen Vereine seinen Einfluss zwingend geltend macht.

Das Gelände an der Reithalle erlaubt es, einen offenen Reitplatz zu schaffen. Er wird in Eigenleistungen hergestellt und bildet gute Ausbildungsmöglichkeiten. Auf allen auswärtigen Turnieren sind die „Nethegauer“ nicht ohne Erfolg vertreten. Aber auch die gesellschaftlichen Veranstaltungen kommen nicht zu kurz. Die aktiven Reiter treffen sich oft nach Ausritten zur gemeinsamen Kaffeetafel und in der Stadthalle werden alljährlich Reiterbälle abgehalten.
Im Jahre 1939 besuchen die Reiter das letzte Turnier vor Kriegsausbruch in Karlshafen. Es folgt der Zweite Weltkrieg. Der Verein zählt 84 Mitglieder. Bis 1945 erstreckt sich die reiterliche Tätigkeit lediglich auf Ausritte von Urlaubern.
Endlich ist der 2. Weltkrieg zu Ende. Die Rückkehr der Eingezogenen geht langsam vonstatten. Erstmalig am 3. November 1945 treffen sich nach Kriegsende und Gefangenschaft die verbliebenen „alten“ Aktiven auf dem Flechtmerhof. Sie treffen sich des Öfteren um zu beraten, wie der Reiterverein wieder ins Leben gerufen werden kann. Im Jahre 1946 und 1947 finden vereinzelte Ausritte statt, aber dann am 8.11.1947 ist es soweit: Nach einer Hubertusjagd im Hinnenburger Wald, an der 33 Reiter teilnehmen, ist Generalversammlung im ‚Preußischen Hof‘. Der Verein beginnt wieder an zu leben.

1948 wird ein hauptamtlicher Reitlehrer eingestellt. Der Reitbetrieb läuft auf vollen Touren. Am Währungstage im Jahre 1948 findet das erste Nachkriegsturnier in Brakel auf den ‚Flechtheimer Wiesen‘ statt. Man schätzt, dass ca. 3500 Zuschauer diesem Turnier beiwohnten. Danach werden zuerst alle zwei Jahre, aber bald schon jährlich Turniere durchgeführt, und nach einiger Zeit veranstaltet der Reiterverein jährlich drei und mehr Turniere.
Auch die Reiterbälle finden ab 1948 fast alljährlich wieder regelmäßig statt, ein gesellschaftliches Ereignis, das in Brakel nicht mehr wegzudenken ist. Die Zahl der aktiven Reiter nimmt von Jahr zu Jahr zu. Die Mitgliederzahlen sind kontinuierlich gestiegen und haben im Jubiläumsjahr 1984 annähernd die 600-Grenze erreicht.

Diese ständige Aufwärtsentwicklung der aktiven und passiven Mitglieder fordert größere Reit- und Ausbildungsstätten. So wird 1956 der Plan gefasst, die alte Reithalle an der Zuckerfabrik aufzugeben und eine größere Halle mit einsprechenden Stallungen zu bauen. Dieses Vorhaben wird kurzfristig zur sofortigen zwingenden Notwendigkeit, weil die alte Halle einer Sturmböe zum Opfer fällt. 1957 wird mit dem Bau einer Halle an der Klöckerstraße begonnen und fertig gestellt. 1975 erfolgt ein Wechsel an der Spitze des Reitervereins. Herr Diethelm Berendes, der 28 Jahre den Verein erfolgreich als 1. Vorsitzender geführt hat, tritt endgültig zurück. So wählt die Generalversammlung am 15.2.1975 Elmar Freiherr von Spiegel zum neuen Vorsitzenden und ernennt Herrn Diethelm Berendes zum Ehrenvorsitzenden.
Bereits 1976 wird die Reithalle an der Klöckerstraße zu klein. Pferdesport ist inzwischen zum Volkssport geworden. Vorübergehende Entlastung bringen dem Reiterverein „Nethegau“ die Neugründungen der Reiterverein Bad Driburg und Steinheim, zu denen heute noch freundschaftliche gutnachbarliche Verbindungen bestehen. Ein Erweiterungsbau ist unbedingt erforderlich. Der Reiterverein „Nethegau“ e.V. ist also gezwungen, wenn der Reitbetrieb nicht künstlich gedrosselt werden soll, an anderer Stelle eine neue Reitanlage, die den Erfordernissen des Vereins entspricht, zu bauen. Es wird eine neue Halle mit 40 Stallungen und den erforderlichen Nebengelassen am Kaiserbrunnen gebaut. November 1979 ist die Halle bezugsfertig und wird mit einem Hallenturnier eingeweiht.
Ende 2023 zählt der Reiterverein „Nethegau“ e.V. 602 Mitglieder.

In Jahr 2024 wird unser Verein 100 Jahre alt – ein Grund zu feiern. Den genauen Termin und alle weiteren Informationen finden Sie im Veranstaltungskalender.